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Leitwolf oder Teamplayer?

Nur etwa jedem dritten Chef in Deutschland gelingt es, ein leistungsförderndes und motivierendes Arbeitsklima zu schaffen. Mit 49 Prozent, fast die Hälfte aller Führungskräfte, demotivieren ihre Mitarbeiter eher, als dass sie sie beflügeln. Zu diesem erschreckenden Ergebnis kam im Mai eine groß angelegte Studie der Unternehmensberatung Hay Group. Dabei steht Deutschland im weltweiten Vergleich noch ganz gut da: Denn global gesehen sind mit 55 Prozent mehr als die Hälfte der Chefs für ein demotivierendes Arbeitsklima im Unternehmen verantwortlich. Die düsterste Stimmung verbreiten demnach japanische und indische Führungskräfte.

Große Freude über dieses Ergebnis sollte dennoch nicht aufkommen, denn die Experten sind sich einig: Je weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert sind, desto schlechtere Arbeitsergebnisse liefern sie auch ab. Ein motivierendes Arbeitsklima habe folglich erhebliche, direkte Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg – bis zu 30 Prozent mehr Gewinn seien drin, so die Berater.

Doch was machen Manager falsch? Was muss sich in Sachen Führung verändern, will man Mitarbeiter stärker motivieren?

„Viele Manager auf der ganzen Welt setzen auf einen einzigen Führungsstil anstatt immer neu zu entscheiden, in welcher Situation welcher Führungsstil angemessen ist“, betonte Thomas Gruhle, Geschäftsführer von Hay Group in einer Pressemitteilung zur Studie. In Europa dominiere noch immer ein direktiver Führungsstil. Vorgesetzte erwarten, dass ihre Mitarbeiter ihre Anweisungen uneingeschränkt befolgen und sie diese nur noch kontrollieren müssen. 
 
„Logisch“, sagen Sie jetzt vielleicht: „So ein direktiver, autoritärer Führungsstil ist ja auch wirklich nicht mehr zeitgemäß.“ Nun stellen Sie sich aber einmal vor, ein
Feuerwehrkommandant würde bei einem Einsatz erst einmal mit allen Einsatzkräften ausdiskutieren wollen, wie das brennende Haus am effektivsten zu löschen ist?

Oder ein Azubi kommt zu seinem Meister, um mit ihm darüber zu philosophieren, ob für die Anfertigung des Holzstuhls wirklich ein viertes Holzbein von Nöten ist.

Worauf ich hinaus will: Ein Führungsstil kann durchaus erheblichen Einfluss auf den Erfolg einer Organisation haben. Doch nach Jahrzehnten der Forschung ist auch klar: die Allzweckwunderwaffe, den einen erfolgversprechenden Führungsstil, gibt es nicht. Überhaupt bezweifeln renommierte Forscher, dass das Konzept der Führungsstile, wie es etwa durch Kurt Lewin und Max Weber geprägt wurde, noch tragfähig ist. Sie bevorzugen heute dynamischere Modelle der „situativen Führung“. Doch der Reihe nach:

Laut dem Wirtschaftslexikon Gabler versteht man unter „Führungsstil“ die „typische Art und Weise des Verhaltens von Vorgesetzten gegenüber einzelnen Untergebenen und Gruppen.“ In der frühen Führungsforschung wurden dabei nach Lewin zunächst drei Führungsstile unterschieden: ein autoritärer, ein kooperativer und der sogenannte „Laissez-faire“-Führungsstil.

Autoritär versus kooperativ
Während autoritäre Chefs primär Anweisungen geben und kontrollieren und zu ihren Mitarbeitern ein eher distanziertes Verhältnis haben, lassen „kooperative“ Vorgesetzte ihre Mitarbeiter nicht nur mitentscheiden, sie übertragen ihnen auch die Verantwortung für größere Aufgabenbereiche. Der „Laissez-faire“-Stil lässt den Mitarbeitern maximale Freiheiten. Sie bestimmen ihre Arbeit und ihre Aufgaben eigenständig, der Vorgesetzte greift nicht in das Geschehen ein. Von „Führung“ lässt sich hier folglich kaum mehr sprechen.
 

In den als „Iowa Studies“ bekannt gewordenen Experimenten zeigte Lewin bereits in den 30er Jahren des 20.Jahrhunderts, dass die Gruppe ohne Führung (Laissez faire) sowohl in punkto Arbeitsproduktivität, als auch in Sachen Zufriedenheit und Teamspirit am schlechtesten abschnitt. Was die Effizienz anging, so waren aber weder die autoritär geführte noch die kooperativ-demokratisch geführte Gruppe überlegen. In der demokratisch geführten Gruppe waren Gruppenmitglieder aber deutlich zufriedener. Die Gruppe wies einen größeren Zusammenhalt auf.

Auch wenn Lewins Studien kritisiert wurden, so sind sie doch bis heute klassischer Ausgangspunkt für die Führungsforschung. Nach heutiger Sicht der Wissenschaft, ist das Konzept der „Führungsstile“ jedoch bestenfalls dafür geeignet, nachträglich das Verhalten von Vorgesetzten zu beschreiben. Typisierungen würden zu kurz greifen und vorausschauende Empfehlungen ließen sich daraus schon gar nicht ableiten.

Situatives Führen

Wie bereits eingangs in unserem Feuerwehrbeispiel plastisch geworden ist: Was effizient ist und was nicht, hängt auch damit zusammen, unter welchen situativen Bedingungen geführt wird. Das heißt: Erfolgreiche Führungskräfte sind Führungskräfte, die ihr Führungsverhalten den Erfordernissen der jeweiligen Situation anpassen.
Wichtige Wegbereiter dieses spannenden Ansatzes waren Paul Hersey und Ken Blanchard mit ihrem als „Situational Leadership“ bezeichneten Analyse- und Führungsmodell. (Genau der Ken Blanchard übrigens, der bei „MBA in one day“ am 26. September über „Leading at a Higher Level“ sprechen wird!)

Das Modell von Hersey und Blanchard geht von einem zentralen Grundsatz aus: Es gibt (im Sinne von Führung) keinen besten Weg, um Menschen (bezüglich ihrer Arbeit) zu beeinflussen. Welchen Führungsstil ein Vorgesetzter bezüglich einer Gruppe benutzen sollte, hängt von der Bereitschaft der Mitarbeiter ab, die der Vorgesetzte beeinflussen möchte. 

Um einen Mitarbeiter beeinflussen zu können, müssen Vorgesetzte diesen also zunächst einschätzen können. Wie niedrig bzw. hoch ist sein individueller Reifegrad? Wie gut ist er in der Lage, eine Aufgabe selbstständig zu erledigen? Kurzum: Situatives Führen fordert von der Führungskraft gewisse Analyse- bzw. Diagnosefähigkeiten ein, auch weil der Reifegrad nicht absolut sondern letztlich nur aufgabenbezogen bestimmt werden kann.

Aus ihrem Modell leiten Hersey und Blanchard vier wesentliche Verhaltensweisen als Empfehlungen für Vorgesetzte ab, die je nach Reifegrad und Aufgabe zum Einsatz kommen sollten: Telling, Selling, Participating und Delegating.

Telling: Der Vorgesetzte sieht seine Mitarbeiter als Untergebene. Er sagt ihnen, was, wie, wann und wo zu tun ist.

Selling: Der Vorgesetzte argumentiert rational oder emotional, um die Mitarbeiter zur Akzeptanz der Aufgabenstellung zu bewegen.

Participating: Der Vorgesetzte und seine Mitarbeiter entscheiden gemeinsam.

Delegating: Der Vorgesetzte beschränkt sich auf gelegentliche Kontrollen und überlässt die Erfüllung der Aufgabe seinen Mitarbeitern.

Forscher bemängelten ein Kernproblem des Modells: Seine zentralen Aussagen ließen sich nicht messen, also auch nicht empirisch überprüfen.

Dennoch hat das Konzept des Situativen Führens viele Manager auf der ganzen Welt inspiriert und tut dies bis heute. Die Stärke des Modells ist seine Flexibilität, seine Fähigkeit, sich der Entwicklung einzelner Mitarbeiter anzupassen. Das erscheint durchweg logisch: Je kompetenter ein Mitarbeiter in einer Aufgabe wird, desto weniger Direktiven muss die Führungskraft ihm bei der Erfüllung der Aufgabe mit auf den Weg geben. 
 
Die Hay Group indes identifiziert auf Basis ihrer Studien sechs effektive Führungsstile: den direktiven, den visionären, den Zusammenhalt fördernden, den partizipativen, den perfektionistischen und den coachenden, die wechselweise zum Einsatz kommen können. Je mehr verschiedene Führungsstile ein Manager praktiziere, so die Erkenntnis der Berater, desto besser ist das Unternehmensklima, das er schafft. Und desto höher die Wahrscheinlichkeit, auch Unternehmensgewinne zu steigern.

Das Fazit: Überdenken und erweitern Sie ruhig Ihr Repertoire an Führungsstilen. Unterschiedliche Situationen erfordern unterschiedliches Führungsverhalten. Es ist alles andere als gerecht, dabei jeden Mitarbeiter gleich zu behandeln – jeder Mitarbeiter sollte entsprechend seiner Kompetenz geführt werden. Ganz wichtig ist jedoch, dass Sie dabei als Mensch und als Chef authentisch bleiben!

Fünf Fragen zum Weiterdenken:

1. Wie würden Sie Ihr eigenes Führungsverhalten zusammenfassend beschreiben?
2. Welche der genannten Führungsstile praktizieren Sie bereits?
3. Welche der genannten Führungsstile praktizieren Sie (noch) nicht?
4. Passen Sie Ihr Führungsverhalten immer der konkreten Situation an?
5. Berücksichtigen Sie in Ihrem Führungsverhalten die individuelle Kompetenz Ihrer  Mitarbeiter?


Das spannende Tagesseminar, bei dem es nur um „Führung“ geht, findet am
30. November 2013 in Augsburg statt.

17.05.2018

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