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Mentoring in der Personalentwicklung

Die Odyssee gehört zu den ältesten und wohl einflussreichsten Werken der abendländischen Literatur. Das Heldenepos des Dichters Homer erzählt von den Abenteuern des Königs Odysseus von Ithaka und seiner Gefährten auf der Heimkehr aus dem Trojanischen Krieg. Warum ich Ihnen gerade jetzt mit griechischer Mythologie komme? Ganz einfach. „Mentor“ ist eine Figur aus der Odyssee, ein Freund des Helden Odysseus, dem er die Erziehung seines Sohnes Telemachus anvertraut. Und der den jungen Prinzen während seiner Jugend und darüber hinaus mit Rat und Tat begleitete.


Der Begriff des Mentors ist also keineswegs eine Erfindung der 1970er-Jahre, er hat seine Wurzeln bereits im Altertum. Die Erziehung zu charaktervollen Kriegern war eine wichtige Sache, die im antiken Griechenland nur weisen Männern wie einem Mentor übertragen wurde. So steht der Name sinnbildlich für einen klugen, älteren Berater, der sein Wissen und seine Erfahrung an den Jüngeren weitergibt.
Nicht nur literarisch wird dieses Thema seither immer neu behandelt. In vielen gesellschaftlichen Zirkeln und Organisationen ist die Begleitung unerfahrener durch erfahrene Mitglieder gelebte Praxis. Und Unternehmen profitieren, wenn Wissen und Erfahrung von den Älteren an die Jüngeren weitergegeben wird.

Die ersten Mentoring-Programme entstanden in den USA
„Mentoring“ als Instrument der Personalentwicklung wurde in den 1970er-Jahren in den USA „geboren“. Zehn Jahre später schwappte die Mentoring-Welle auch nach Europa, breitete sich zunächst in Skandinavien, dann in Großbritannien aus. Erst in den 1990er-Jahren kam das Mentoring auch in deutschen Bildungseinrichtungen, Organisationen und Unternehmen an.
Die Idee ist ebenso einfach wie effektiv: Mentoren ebnen ihren „Mentees“ den Karriereweg. Sie helfen ihnen, sich fachlich, aber auch persönlich weiterzuentwickeln, beraten sie bei der Karriereplanung und unterstützen sie dabei, in informellen Kreisen und wichtigen Netzwerken Fuß zu fassen. In der Regel brauchen Mentoren dafür keine spezielle Ausbildung – ihr Vorsprung in Sachen Erfahrung und Know-how genügt. Doch interpretieren Organisationen und Unternehmen Mentoring teils recht unterschiedlich.
 

Sind Mentor-Mentee-Beziehungen in manchen, gerade großen Unternehmen sehr professionalisiert und institutionalisiert, sind sie in anderen Unternehmen eher lose, informelle Beziehungen ohne vorgegebene Struktur. Wichtig ist in jedem Fall, dass Mentoring freiwillig passiert und von gegenseitigem Respekt und Vertrauen getragen wird. Die fördernde Beziehung hat nichts mit „Geklüngel“ zu tun – sie muss öffentlich und transparent sein.

Im Idealfall profitieren alle
Geben und Nehmen. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht danach aussieht: Mentoring sollte ein wechselseitiger Prozess sein. Im Idealfall können tatsächlich alle Seiten profitieren. Die Mentees, mit denen die Mentoren ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre guten Kontakte teilen. Die Mentoren, weil ihnen die jungen Mentees neue Impulse und frische Ideen liefern und ihnen dabei helfen, das eigene Handeln zu reflektieren. Und natürlich die Unternehmen, die auf diese Weise Wissen und Erfahrung im Unternehmen halten, junge Mitarbeiter effizient fördern und zugleich den hohen Ansprüchen junger Nachwuchsführungskräfte nach Karriereplanung und Weiterentwicklung nachkommen. Denn der „war for talents“ hat längst begonnen.


Einschlägige Studien zeigen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen bei jungen Talenten punkten können – vorausgesetzt, sie haben das zu bieten, was der gut ausgebildete Nachwuchs wirklich sucht: ein angenehmes Betriebsklima, interessante Aufgabenbereiche und gute Entwicklungsmöglichkeiten. Tatsächlich rangiert bei den meisten Absolventen das Auswahlkriterium „Gehalt“ nur im Mittelfeld. Kleine und mittelständische Unternehmen können den Kampf um Potenzialträger also durchaus gewinnen, wenn sie junge Berufseinsteiger gezielt fordern und fördern und dies auch in ihrer externen Kommunikation deutlich machen. Etwa durch durchdachte Mentoring-Programme.


Eigentlich spielt das Geschlecht der Mentees im klassischen Mentoring keine Rolle. Die Praxis aber hat gezeigt, dass es – bei gleicher Qualifikation – vielen Männern deutlich leichterfällt, die Karriereleitern zu erklimmen als ihren weiblichen Kollegen. Dafür werden von Experten die oftmals traditionell männlich dominierten Netzwerke in der Wirtschaft verantwortlich gemacht. So wird Mentoring heute in vielen Unternehmen auch explizit als Instrument der weiblichen Nachwuchsförderung genutzt. Nie waren Frauen besser ausgebildet, nie waren sie motivierter – und dennoch sind sie bislang in Führungspositionen noch zu wenig präsent. Mentoring-Programme, da sind sich Fachleute einig, können Frauen dabei helfen, die viel zitierte „gläserne Decke“ zu durchbrechen, indem sie gezielt Förderung und Netzwerkstrukturen bieten.
 

Wie sieht gutes Mentoring aus?
Mentoring ist keine einseitige Abhängigkeitsbeziehung. An den Mentees selbst ist es letztlich, über ihren individuellen Lern- und Entwicklungsprozess zu bestimmen.  Wie gutes Mentoring aussehen kann, beschreibt zum Beispiel die Universität Oldenburg in ihrem „Mentoring-Leitfaden“. Sieben Punkte werden hier als „Inhalte von Mentoring“ aufgelistet:

  • Coachen
  • Beraten
  • Wissen vermitteln
  • Teilhaben lassen
  • Bestärken
  • Feedback geben und
  • Netzwerken

Doch auch die Mentees gehen Verpflichtungen ein und sind im Mentoringprozess gefordert. So sollten sie klare Zielvorstellungen formulieren, Kontakte halten, Gespräche mit dem Mentoren vor- und nachbereiten sowie Besprochenes im Nachgang auch aktiv umsetzen.

Der Mentoringprozess
Mentoring steht und fällt mit der Bereitschaft der Mentoren, ihr Wissen und ihre Erfahrung zu teilen. Und mit der Bereitschaft der Mentees, Rat und Hilfe anzunehmen. Essenziell für das Gelingen eines Mentoringprozesses ist die Wahl des richtigen Tandems. Der Mentor sollte kein direkter Vorgesetzter sein. Er sollte mindestens zwei Hierarchiestufen über dem Mentee stehen, rund 10 Jahre älter und eine anerkannte Führungskraft sein.
Analysiert werden muss auch, welche fachlichen und persönlichen Fähigkeiten der künftige Mentee bereits mitbringt. Wohin soll die Reise gehen? Welche Art von Mentor kann das Nachwuchstalent weiterbringen?
Ist das Mentor-Mentee-Paar bestimmt, sollten in einem Erstgespräch Standort, Ziele und Rahmenbedingungen geklärt werden. Auch wichtige organisatorische Fragen sollten hier bereits festgelegt werden: In welchem Turnus finden die Gespräche statt? Wie kann zwischendurch ein Austausch – per Mail oder Telefon – stattfinden? Welche weitergehenden Maßnahmen, Treffen sind geplant?
Hilfreich ist es, diese inhaltlichen Vereinbarungen und organisatorischen Regelungen auch schriftlich zu fixieren, um für beide Seiten Verbindlichkeit zu schaffen und Ergebnisse letztlich auch überprüfbar zu machen.
 
Eine Mentoring-Beziehung ist immer zeitlich begrenzt. Denn wie George Orwell schon erkannt hat: „Der ist der beste Lehrer, der sich nach und nach überflüssig macht.“

Fünf Fragen zum Weiterdenken:

  1. Gibt es in Ihrem Unternehmen bereits Mentoring-Programme oder zumindest Formen  des Mentoring?
  2. Wenn nein, könnten Sie Mentoring in Ihrem Unternehmen anstoßen?
  3. In welcher Rolle könnten Sie sich in Mentoring-Prozesse einbringen – als Mentee  oder als Mentor?
  4. Welche persönlichen Ziele, welche Erwartungen knüpfen Sie an den
    Mentoring-Prozess?
  5. Wie viel Zeit können/wollen Sie investieren?

 

 

17.05.2018

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