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Viel gewollt, wenig erreicht?

Das Kickoff-Meeting war fantastisch gewesen, beinahe euphorisch. Alle hatten mit ihren Ideen für einen erfolgreichen Projektstart gesorgt. Doch Monate später waren die meisten Ansätze vergessen – schlicht versandet. Als Projektleiter hatte Jochen das notwendige Know-how. Er wollte die vielversprechenden Ansätze weiter verfolgen, nach drei Monaten schon erste Ergebnisse präsentieren. Es kam anders. Immer war etwas anderes zu tun, immer wieder hatte er das Projekt verschoben und verdrängt …
Viel gewollt, wenig erreicht? Wir alle kennen das. Nicht nur im geschäftlichen, auch im privaten Bereich haben Menschen Probleme, Vorhaben in die Tat umzusetzen. Und das liegt nicht immer an mangelnder Motivation oder widrigen Rahmenbedingungen. Sich mehr zu bewegen, sich gesünder zu ernähren – die Vorsätze sind meist schnell gefasst und ebenso schnell wieder aufgegeben. Menschlich nennen das die einen, undiszipliniert die anderen.

Wir werden an dem gemessen, was wir erreicht haben
Die Wahrheit ist: Wir alle kennen den ein oder anderen Bereich in unserem Leben, in dem es uns besonders schwerfällt, Ziele zu erreichen. Ist das schon problematisch? Sicher nicht. Doch Fakt ist auch: Erfolgreich werden wir eben nicht mit hehren Zielsetzungen – gemessen wird beruflicher und privater Erfolg nur an dem, was wir wirklich erreicht haben. Es lohnt sich also durchaus, sich die Stellschrauben des Erfolgs etwas genauer anzusehen.

Nach einer aktuellen Studie amerikanischer Wissenschaftler haben Menschen, die schon als Kinder selbstbeherrscht und pflichtbewusst sind, eine größere Chance auf Erfolg im Leben als weniger selbstdisziplinierte Kinder. Den Lebensweg von 1000 Probanden hatten die Forscher für diese Erkenntnis von Geburt an bis zum 32. Geburtstag begleitet. Gesundheit, Wohlstand und soziale Lebensumstände – in all diesen Bereichen hatten die selbstdisziplinierten Kinder von damals im Erwachsenenalter die Nase vorn. Doch die Forscher kamen auch zu der Erkenntnis, dass der Grad der individuellen Selbstkontrolle kein gottgegebenes Schicksal war – vielmehr ließ er sich durch gezielte Förderung durchaus beeinflussen.

Selbstdisziplin. Selbstkontrolle. Auch wenn die Begriffe recht altmodisch daherkommen, stehen sie bei den Erfolgsforschern doch hoch im Kurs. Und wer einmal Hochleistungsschwimmer in ihrem Training begleitet hat, gewinnt einen Eindruck davon, dass Motivation zwar die Basis, aber Ausdauer und Willenskraft ebenso unabdingbare Voraussetzungen für Erfolg sind.

„Self-discipline is the ability to get yourself to take action regardless of your emotional state“, definiert Steve Pavlina auf seiner Website. Zu Deutsch: „Selbstdisziplin ist die Fähigkeit, unabhängig vom eigenen Gemütszustand aktiv zu werden.“ Es sei ein „Selbstentfaltungswerkzeug“, das „viele Probleme lösen kann“. Selbstdisziplin befähige uns, Abhängigkeiten zu überwinden und Tendenzen zum Aufschieben, zu Unordentlichkeit und Unwissen loszuwerden: „Darüber hinaus wird sie zum mächtigen Teammitglied, wenn sie mit anderen Werkzeugen wie Leidenschaft, Zielstrebigkeit und der Fähigkeit zum Planen kombiniert wird.“

„Wie ein Muskel trainierbar“

Für den bekannten Blogger ist Selbstdisziplin nicht genetisch vorbestimmt, sie lasse sich wie ein Muskel trainieren. Um Kraft zu entwickeln, müsse man Gewichte stemmen, die „noch stemmbar“ seien, aber nahe an der Grenze der eigenen Machbarkeit. Ähnlich verhalte es sich bei der Selbstdisziplin: Auch hier müsse man sich Herausforderungen stellen, die zu bewältigen, aber eben auch nahe an der Grenze der Erreichbarkeit seien. Fünf Pfeiler der Selbstdisziplin beschreibt Steve Pavlina in seiner Artikelserie: die Akzeptanz der Realität, Willenskraft, harte Arbeit, Fleiß und Ausdauer. Seine Ausführungen zu den einzelnen Punkten sind durchaus spannend, jedoch sehr stark an Pavlinas eigener Biografie ausgerichtet und somit eher inspirativ als wissenschaftlich fundiert.

Gehen wir das Thema akademisch an, gelangen wir vom Begriff der „Selbstdisziplin“ schnell zum Forschungsbereich der „Volition“, der in der Psychologie den „Prozess der Bildung, Aufrechterhaltung und Realisierung von Absichten“ bezeichnet. Es geht dabei also um die Frage, wie Ziele und Motive durch Handlungen zu Ergebnissen werden.  

Motivation, so die Erkenntnis der Psychologen, ist eben nicht alles: Selbst hoch motivierte Menschen können an ihren Zielen scheitern, wenn sie nicht über die notwendigen „Umsetzungskompetenzen“ verfügen. Prof. Dr. Waldemar Pelz von der Fachhochschule Gießen hat sich eingehend mit diesem Thema befasst. In einem Fachartikel (PERSONAL 4/2010, S. 30ff.) betont er die Notwendigkeit von Umsetzungskompetenzen bei Führungskräften für unternehmerischen Erfolg und beschreibt die einzelnen Teilkompetenzen sinngemäß folgendermaßen:

  • Erfolgreiche Führungskräfte können die eigene Aufmerksamkeit steuern und sich auf das Wesentliche konzentrieren.
  • Erfolgreiche Führungskräfte können die eigenen Gefühle und Stimmungen so kontrollieren, dass sie ihre persönliche Energie steigern.
  • Erfolgreiche Führungskräfte verfügen über Selbstvertrauen und Durchsetzungsstärke.
  • Erfolgreiche Führungskräfte planen vorausschauend und lösen Probleme kreativ.

Erfolgreiche Führungskräfte können sich mit Blick auf das Ziel und den tieferen Sinn ihres Handelns selbst disziplinieren.

Die Realität sieht häufig anders aus. Nur etwa zehn Prozent der Manager, so Pelz, würden die notwendigen „volitionalen Teilkompetenzen“ tatsächlich mitbringen. Statt vor allem nach fachlichen Gesichtspunkten empfiehlt er, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärker nach ihren Umsetzungsfähigkeiten auszuwählen. Denn es gebe viele fachlich herausragende Mitarbeiter mit hervorragenden Ideen, die kaum Ergebnisse erzielten. Eigentlich wüssten sie ganz genau, was zu tun ist, handelten aber nicht danach. „Knowing-doing gap“, nennen das  Experten. Im Gegensatz dazu würden Führungskräfte mit hohen Umsetzungskompetenzen schon aus wenigen Ressourcen überzeugende Resultate machen.

Alte Gewohnheiten, neue Rituale

Umsetzungskompetenzen trainieren. Das geht, sind Wissenschaftler wie Prof. Pelz überzeugt. Grundlage sei aber eine realistische Selbsteinschätzung. Es gelte, die eigenen Leistungen und Verhaltensweisen richtig zu bewerten. Erst dann könne man einen Veränderungsprozess einleiten.
 
Dieser funktioniert über klare Zielsetzungen und eine systematische „Selbstüberwachung“. Ein weiterer Baustein des Volition-Trainings nach Pelz ist die konsequente Selbstkräftigung: Wird ein Ziel erreicht, muss sich der Trainierende auch belohnen, um das eigene, neue Verhalten psychologisch zu bekräftigen. Gelingt es ihm nicht, muss er sich selbst sanktionieren oder sanktioniert werden. Letztlich muss so lange trainiert werden, bis alte Gewohnheiten von neuen Ritualen abgelöst werden und das antrainierte Verhalten in Fleisch und Blut übergegangen ist.


„Anfangen ist wichtig – aber noch wichtiger ist das Weitermachen, denn nur das wird belohnt“, habe ich in meinem Buch „Projekt Gold“ geschrieben. Die Wissenschaft bestätigt, was Heiner Brand und ich hier am Beispiel vieler Leistungssportler und Manager aufgezeigt haben: Erfolg bedeutet, Ziele zu erreichen. Ohne Ausdauer, ohne harte Arbeit, ohne Selbstdisziplin und Selbstkontrolle ist persönlicher Erfolg aber nicht möglich. Oder, wie es Steve Pavlina formuliert: „Nichts … ist einfach so passiert. Ich habe es beabsichtigt. Ich habe viele Jahre daran gearbeitet. Und ich arbeite immer noch dafür. […] Es wird nicht einfach sein, aber es wird es wert sein.“
Was für ein Schlusswort!

Sieben Fragen zum Weiterdenken:

  1. Wie leicht fällt es Ihnen, Dinge, die Sie einmal angefangen haben, auch zu einem guten Ende zu bringen?
  2. Wie gut können Sie sich auf eine Aufgabe konzentrieren? (Oder lassen Sie sich leicht ablenken?)
  3. Wie schnell erledigen Sie unangenehme Dinge – erledigen Sie diese tatsächlich?
  4. Können Sie Problemen auch etwas Positives abgewinnen?
  5. Wie fühlen Sie sich, wenn Probleme auftauchen: herausgefordert oder überfordert?
  6. Wenn Sie mal schlechte Laune haben: Leiden Ihre Arbeit und Ihre Kollegen darunter?
  7. Wie strukturieren Sie Ihren Arbeitstag?

 

17.05.2018

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