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< Interview mit Patric Heizmann

Durchstarten mit 50?!

Michael, Sabine, Thomas. Drei Menschen, drei Karrieren, eine Gemeinsamkeit. Michael, Sabine und Thomas sind 1964 zur Welt gekommen, im geburtenstärksten Jahrgang der deutschen Nachkriegsgeschichte. Gut 1,4 Millionen Kinder wurden 1964 in Deutschland geboren. Die Babys von damals sind heute 51 oder 52 Jahre alt. Die meisten „Babyboomer“ sind gut ausgebildet und heute halbwegs situiert. Sie haben keinen Krieg erleben müssen und meist auch keine materielle Not. Im Gegenteil: Das Gros wuchs in Sicherheit und Wohlstand auf. In der Ausbildung, beim Berufseinstieg, immer mussten sie sich gegen viele Gleichaltrige durchsetzen. Doch gemeinsam waren sie eine Macht, die unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt hat und bis heute prägt. Das gilt insbesondere für unsere Berufswelt, für unsere Unternehmen.


So verwundert es nicht, dass laut Expertenprognosen bis zum Jahr 2025 jeder vierte Berufstätige in Deutschland älter als 55 Jahre sein wird. Längst Zeit also, dem Jugendwahn in manchen Betrieben zu überdenken? Glaubt man einschlägigen Studien, dann leben viele der über 50-Jährigen gelassener und zufriedener als jüngere Deutsche. Doch wie leistungsfähig sind Berufstätige 50 plus tatsächlich noch? Kann man sich in diesem Alter beruflich noch weiterentwickeln? Den nächsten Karriereschritt machen? Oder gar einen kompletten beruflichen Neustart wagen?

Mit 50 wird das Altern spürbar
Was viele nicht wissen: Die ersten Alterungsprozesse beginnen schon mit 20. Bereits ab 30 sinkt unser Energie-Grundumsatz, unsere Nervenbahnen leiten Reize langsamer weiter und unser Gehirngewicht nimmt langsam ab. Mit 50 dann spüren wir, dass wir älter werden. Ohne Lesebrille können wir nicht mehr Zeitunglesen. Beim morgendlichen Aufstehen zwickt und zwackt es schon mal in den Gelenken.  Und vielleicht will uns der Name der neuen Kollegin nicht mehr gleich einfallen.
Wie hat es Anthony Quinn einmal so humorvoll formuliert: „Auch mit sechzig kann man noch vierzig sein - aber nur noch eine halbe Stunde am Tag.“ Menschen altern, wenn auch unterschiedlich schnell. Dennoch lassen sich Muster erkennen. So ist für die meisten Menschen zwischen 45 und 50 Zeit für eine berufliche Zwischenbilanz. Meist hat man schon einiges erreicht, positive wie negative Erfahrungen gemacht. Vielen wird klar: „Wenn ich noch große Wünsche offen habe, dann muss ich sie mir jetzt erfüllen.“ Mit über 50 stellen viele Menschen dann fest, dass sich nicht nur ihr Körper zu verändern beginnt. Auch ihre Ansichten und Wertigkeiten verändern sich. Was einmal immens wichtig war, kann jetzt in den Hintergrund treten und abgelöst werden durch neue persönliche Schwerpunkte.

Auf die Einstellung kommt es an
Experten sind sich sicher: Der demographische Wandel eröffnet älteren Arbeitskräften neue Möglichkeiten, die Arbeitsmarktchancen für sie sind besser denn je. Schließlich können Ältere mit vielen Pfunden wuchern! Mit Erfahrung, Problemlösungskompetenz, mit ihrem Denken in großen Zusammenhängen.
Man muss die sich bietenden Chancen aber auch zu nutzen wissen! Hier spielt unsere innere Einstellung eine zentrale Rolle: Sind wir wirklich noch offen für Neues? Haben wir Interesse daran, uns weiter zu qualifizieren? Setzen wir nur auf Erfahrung oder lassen wir auch ein Umdenken zu?
Auch wenn Ältere anders lernen als jüngere Menschen: Wir können uns in jedem Alter weiterentwickeln, neue Wege beschreiten.

Karriereschritt: Führungsaufgabe mit 50?
Mit 50 zum ersten Mal eine Führungsposition übernehmen? Das war früher ungewöhnlich, heute nicht mehr. Sind noch vor wenigen Jahren Bewerber, die älter als 45 Jahre waren, schnell aus den (internen) Bewerbungsverfahren für Führungspositionen ausgeschieden, so sind Ältere heute durchaus als Chefs gefragt.
 

Gesucht werden nicht mehr nur junge Spezialisten, sondern auch ältere Arbeitskräfte, die ihr Know-how und ihre Erfahrungen in Führungspositionen einbringen können. Gerade weil sie während ihres bisherigen Berufslebens im Gegensatz zu den jüngeren Managern bereits gelernt haben, auch kritische Situationen mit der nötigen Ruhe und Souveränität zu meistern. Wichtig ist, den Vorgesetzten auch zu signalisieren, dass man für diesen Schritt bereit ist. Weiterqualifizierung, die Übernahme neuer Projekte – all das kann eine Beförderung fördern.

Beruflicher Neustart mit 50
Auch wenn in vielen Unternehmen bereits ein Umdenken stattfindet, nicht überall werden ältere Arbeitnehmer geschätzt und bewusst im Betrieb gehalten. Fakt ist: Wird ein älterer Mitarbeiter entlassen, braucht er in aller Regel länger, um wieder eine Stelle zu finden.


Bevor man bei einer unfreiwilligen beruflichen Neuorientierung in blinden Aktionismus verfalle, so Experten, sollte man zunächst einmal reflektieren und tatsächliche Orientierung gewinnen. Wichtig ist es, die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten gut zu kennen, aber sich auch über die eigenen Werte im Klaren zu sein.
Wer sich mit 50 Plus noch einmal bewirbt, sollte sich selbst gut einschätzen können und in seiner Bewerbung auch punktgenau seine Fähigkeiten vermitteln. Auch wenn ältere Bewerber in ihren Anschreiben jahrzehntelange Berufserfahrung in verschiedenen Unternehmen aufzählen könnten, sollten sie doch zügig auf den Punkt kommen. Wird man als älterer Bewerber dann zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, ist ein selbstbewusster und souveräner Auftritt gefragt. Klar zum Ausdruck kommen sollte, welchen konkreten Mehrwert man dem Unternehmen bringt und woran man das genau festmachen kann.

Mit 50 noch zum eigenen Chef werden
Keine Fremdbestimmung mehr. Eigene Träume verwirklichen. Ob gewollt oder unfreiwillig: Immer mehr ältere Beschäftigte wagen den späten Sprung in die Selbstständigkeit.
 

Häufig ist dabei ein wichtiger Antrieb, künftig verstärkt der eigenen Agenda folgen zu wollen. Immens wichtig für den Erfolg als eigener Chef sind Selbstbewusstsein und Zuversicht. Mut und Neugier. Natürlich muss man sich auch mit betriebs-wirtschaftlichen Themen auseinandersetzen, dafür gibt es jedoch ausreichend Fachleute und Stellen, wo man entsprechende Informationen einholen kann. Viel wichtiger ist eine zündende Geschäftsidee sein, die man mit Herz und Leidenschaft verfolgen möchte!
Klar ist aber auch: Wer sich jenseits der 50 noch selbstständig macht, gewinnt unternehmerische Freiheiten, er gibt aber auch Sicherheiten auf. Besser gilt es vorab zu prüfen, ob man dem Druck und der Unsicherheit Stand halten kann.

Ältere in Unternehmen binden
Die Botschaft an Unternehmen lautet heute: Verzichtet nicht freiwillig auf das Know-how und die Erfahrung der über 50-jährigen. Besonders erfolgreich sind altersgemischte Teams, in denen sich die Erfahrungen und Kompetenzen der Älteren mit der Zuversicht und den frischen Ideen junger Mitarbeiter verbinden. Das funktioniert nicht immer ohne Reibungsverluste, doch es lohnt sich. Wer glaubt, rückenfreundliche Arbeitsplätze und Altersteilzeit würden genügen, um ältere Mitarbeiter nachhaltig zu integrieren und zu binden, der irrt jedoch. Auch ältere Mitarbeiter brauchen Perspektiven, brauchen Weiterbildung, brauchen ihren Fähigkeiten entsprechende Aufgaben, um motiviert arbeiten zu können.

Michael, Sabine und Thomas sollen erst mit 67 Jahren in Rente gehen. Die Babyboomer haben also noch einige, hoffentlich erfolgreiche Berufsjahre vor sich. Die Weichen dafür stellen nicht nur Unternehmen. Die Weichen dafür stellen Michael, Sabine und Thomas auch selbst.
 

Durchstarten oder neu starten mit 50? Das sollten Sie beachten:

  • Egal ob freiwillige oder unfreiwillige Veränderung: Nehmen Sie sich Zeit für ein Resümee, für eine berufliche Zwischenbilanz. Was haben Sie erreicht? Was wollen Sie noch erreichen? Wollen Sie diesen Weg weitergehen oder sind noch größere, berufliche Wünsche offen?
  • Analysieren Sie, was Sie können, was Sie wollen und auch, was Sie nicht wollen. Wollen Sie in Ihrer alten Branche in einer vergleichbaren Position arbeiten? Wollen Sie wirklich beruflich neue Wege gehen? Trauen Sie sich eine Selbstständigkeit zu?
  • Setzen Sie sich klare Ziele für Ihre berufliche Zukunft. Entwerfen Sie mögliche Szenarien und seien Sie ehrlich zu sich: Akzeptieren Sie den Stress, den eine neue Führungsaufgabe mit sich bringt? Halten Sie dem Druck stand, der auf Ihnen lastet? Was kann passieren und wie könnte ich darauf reagieren?
  • Übernehmen Sie die Verantwortung für ihre Beschäftigungsfähigkeit. Achten Sie auf Ihre Gesundheit, bleiben Sie offen für Neues, bilden Sie sich aktiv weiter. Zeigen Sie ihrem (potenziellen) Arbeitgeber, dass Sie auch mit über 50 noch in der Lage sind, sich neue Inhalte anzueignen.
  • Seien Sie sich Ihrer (körperlichen) Grenzen bewusst. Betonen Sie aber lieber, was Sie können und nicht, was Sie nicht mehr können.
Dateien:
Dossier_Juni.pdf 242 KB

17.05.2018

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