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< Interview mit Gedächtnistrainer Markus Hofmann

Von der Kunst des erfolgreichen Verhandelns

Wir können nicht mit jenen verhandeln, die sagen: Was mein ist, ist mein; und was dein ist, ist Verhandlungssache.
John F. Kennedy

Es war im Spätsommer 1989. Tausende von DDR-Bürgern hatten seit August Zuflucht auf dem Gelände der deutschen Botschaft in Prag gesucht. Regenfälle hatten den Garten mit Zelten als Notunterkünften in eine Schlammwüste verwandelt. In zähen Verhandlungen in New York, am Rande der UN-Vollversammlung, erreichte der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher eine Lösung für das sich zuspitzende Prager Flüchtlingsdrama. Obwohl er erst wenige Wochen zuvor einen Herzinfarkt erlitten hatte, reiste Genscher nach New York. Dort sprach er mit dem russischen Außenminister Schewardnadse, verhandelte mit DDR-Außenminister Fischer und holte sich Unterstützung bei westlichen Politikern. Er rang um eine gute Lösung für die immer größer werdende Zahl von Flüchtlingen, wohl wissend, auf welch glattem Parkett er sich bei seinen Verhandlungen bewegt.

Der Rest ist Geschichte: Am 30. September kurz vor 19 Uhr betrat Genscher den Balkon des Botschaftsgebäudes und verkündete, dass die Ausreise der mittlerweile rund 4000 Flüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland kurz bevorstehe. Und obwohl es zunächst eine einmalige Aktion zu sein schien – in der Nachbetrachtung war das Verhandlungs-ergebnis Genschers ein Grundstein für den Prozess der deutschen Wiedervereinigung.

 
Verhandlungen sind Teil unseres Lebens

Verhandeln. Standpunkte vertreten. Kompromisse erzielen. Lösungen finden. Nicht nur für Politiker ist dies das tägliche Brot. Tatsächlich verhandeln wir alle immer und ständig. Mit dem Partner. Den Kindern. Den Kollegen im Büro. Auch wenn unsere Verhandlungen keine historischen Auswirkungen haben, so verfolgen sie doch alle letztlich ein wichtiges Ziel – unsere Interessen durchzusetzen und Einigungen in Streitfragen zu erzielen. Hätte DDR-Außenminister Fischer der Ausreise der Flüchtlinge wohl zugestimmt, wenn er geahnt hätte, welche Lawine er damit lostreten würde? Sicher nicht. Es geht also in Verhandlungen immer auch um Taktik, um Strategie, um Überzeugungskraft – und um kluge Vorbereitung.

Erfolgreiches Verhandeln, das vorab, ist kein gottgegebenes Talent. Wir alle können und sollten es lernen. Im Gegensatz zur Anordnung oder einem Befehl ist das Wesen der Verhandlung ein beiderseitiges Suchen nach Lösungen. Es geht, wie der Begriff schon verrät, um einen „Handel“, bei dem eine, zwei oder mehrere Parteien Zugeständnisse machen. Dieses Wechselspiel aus Geben und Nehmen zu beherrschen, ist ein ganz wesentlicher Soft Skill auch für den beruflichen Erfolg. Zum einen verhandeln wir dabei ureigene persönliche Interessen wie etwa die Höhe unseres Gehalts, eine Versetzung oder Beförderung. Zum anderen verhandeln wir in unseren beruflichen Aufgabenbereichen: Wir handeln Konditionen aus, legen Lieferbedingungen fest, ringen mit Kollegen um Strategien oder setzen uns „verhandelnd“ mit mehr oder weniger zufriedenen Kunden auseinander.


Die Grundelemente einer Verhandlung sind Sachkenntnis, Logik, Rhetorik und psychologisches Verständnis. Wer verhandelt, sollte also wissen, wovon er spricht, seine Argumente dem Verhandlungspartner logisch
und überzeugend nahebringen und auch über Menschenkenntnis und Fingerspitzengefühl verfügen.

Einige Experten unterscheiden sieben Phasen der Verhandlungsführung. Die Vorbereitung, die Interessensbekundung, die Güterabwägung, die Gewichtung, die Kompromissfindung, den Vertragsabschluss und die Nachbereitung. Freilich bedarf nicht jede Verhandlung eines Vertragsabschlusses und einer Nachbereitung, sehr wohl aber ist es immer notwendig, gut vorbereitet in eine wichtige Verhandlung zu gehen.

 
Spielraum ausloten

Dazu sollten nicht nur die zentralen Ziele festgelegt, sondern es muss auch der Verhandlungsspielraum ausgelotet werden. Mehr Gehalt oder mehr Urlaubstage? Mehr Personalverantwortung? Finanzieller Ausgleich von Überstunden oder Freizeitausgleich? Wer in Verhandlungen mit dem Chef eintritt, sollte vorher genau abstecken, was ihm oder ihr besonders wichtig ist und in welchen Bereichen er
oder sie bereit ist, Zugeständnisse zu machen. Gegliedert werden sollten die Zielvorgaben in ein „Optimalergebnis“, ein „realistisches Ergebnis“ und in einen „Abbruchpunkt“ – dann, wenn die persönliche Schmerzgrenze überschritten ist. Unter Verhandlungsspielraum versteht man die Spanne zwischen Optimalergebnis und Abbruchpunkt.

Gut vorbereitet in eine Verhandlung zu gehen bedeutet, gute Argumente für den eigenen Standpunkt zu sammeln, die eigene Position mit guten Gründen zu unterlegen. Wichtig im Vorfeld ist es aber auch, sich über etwaige Einwände des Verhandlungspartners Gedanken zu machen, sie zu antizipieren, um sie im Gespräch, wenn möglich, entkräften zu können.
Wer Einfluss auf die Wahl von Ort und Zeit hat, sollte ihn in jedem Fall nutzen. Verhandlungen gehen oft reibungsloser vonstatten, wenn sie im passenden Rahmen und zur richtigen Zeit angesetzt sind. Schaffen Sie, wenn möglich, eine entspannte Atmosphäre und legen Sie die Verhandlung auf einen Zeitpunkt am Tag, wo Sie selbst normalerweise besonders fit sind.

Eine gemeinsame Basis schaffen

Am besten startet es sich in ein Verhandlungsgespräch, wenn eine gemeinsame Ausgangsbasis hergestellt wird. Niemand, der etwas erreichen will, sollte gleich mit der Tür ins Haus fallen. Ein bisschen
Small Talk, ein Scherz können eine angespannte Situation schnell entkrampfen, erst dann sollte man sich auf das schwierige Verhand-
lungsterrain begeben. Manchmal geht das direkt, manchmal nur im Zickzackkurs – wichtig ist in jedem Fall, dass Sie ein Gefühl für Ihren Gesprächspartner entwickeln. Wichtig ist auch, dass Sie Ihren Verhandlungspartner nicht gleich in die Enge treiben. Wer bei Verhandlungen keinen Ausweg mehr sieht, sperrt sich oft ganz
und gar – und das kann nicht in Ihrem Sinne sein.
 
Betonen Sie also zunächst Gemeinsamkeiten und Möglichkeiten, bevor Sie Ihre Position in der Verhandlungssache begründen. Hören Sie sich die Argumente Ihres Gegenübers ruhig an und unterbrechen Sie ihn nicht. Erst wenn alle Fakten und Argumente auf dem Tisch liegen, geht es an das Ringen um eine Lösung. Vermeiden Sie dabei einen aggressiven Tonfall oder ein Abdriften von der Sach- auf die persönliche Ebene. Versuchen Sie, das Gespräch bewusst zu steuern, statt nur auf Ihr Gegenüber zu reagieren. Zwischenergebnisse sollten Sie im Verlauf des Gesprächs zusammenfassen und absichern. Haben Sie sich mit Ihrem Gesprächspartner geeinigt, sollten Sie das Ergebnis der Verhandlung schriftlich fixieren und Ihrem Verhandlungspartner zur Verfügung stellen.

Alternativen aufzeigen statt Forderungen stellen

Sind die Verhandlungen schwierig oder völlig festgefahren, dann können Tipps und Tricks von Profis hilfreich sein. Matthias Schranner ist Verhandlungsexperte, ein sogenannter „Ghost Negotiator“, der nie am Verhandlungstisch sitzt, doch im Hintergrund gerne die Fäden zieht. Früher arbeitete Schranner für die Polizei, verhandelte mit Geiselnehmern, Bankräubern und Dealern. Heute nutzen Geschäftsleute seine Erfahrungen. Für ihn haben Verhandlungen viele spielerische Aspekte, und das Wichtigste sei es herauszufinden, wo für die Gegenseite der Spielraum liege. Gute Argumente und Appelle an die Vernunft brächten wenig.


In den ersten zehn Minuten einer Verhandlung sollte man sich, so Schranner, keinesfalls festlegen. JA und NEIN seien in dieser Phase des Gesprächs tabu, auch einen Kompromiss sollte man nicht vorschnell anbieten. Formuliert der Gesprächspartner zu Beginn seine Forderungen und Vorschläge, sagt Schranner meist nur ein einziges Wort: „Schwierig.“ Er selbst legt sich nicht fest, zeigt zunächst verschiedenste Möglichkeiten auf, spricht jedoch stets im Konditional – „könnte“, „wäre“, „hätte“ – um sich genug Rückszugsmöglichkeiten offen zu lassen. „Bevor wir eine Forderung stellen, sollten wir erst eine ZOPA aufbauen, eine ‚Zone of possible agreement’ “, erläutert Schranner seine Strategie: „Gut beraten ist, wer so viele Alternativen wie möglich in die Verhandlung einbringt. Er kann dann nach dem Grundsatz der Reziprozität – Geben und Nehmen – verhandeln.“ Vermeiden sollte man in jedem Fall, sich unter Druck setzen zu lassen, denn: Zu viel Stress erzeugt Fehler.

So bereiten Sie wichtige Verhandlungen richtig vor:

Erstens: Sie sollten alle Fakten und Argumente kennen.
Zweitens: Bestimmen Sie Ihr Wunschergebnis. Loten Sie aber auch Spielräume aus und entwerfen Sie Alternativen. Was ist Ihnen wirklich wichtig? Wo würden Sie Zugeständnisse machen? Was wäre ein guter, was ein akzeptabler Abschluss?
Drittens: Versuchen Sie, sich in Ihren Verhandlungspartner zu versetzen. Was sind seine Motive? Wo könnte er Zugeständnisse machen? Wo könnten Spielräume vorhanden sein? Wie wichtig ist eine Vereinbarung für ihn?
Viertens: Analysieren Sie Ihre eigenen Schwächen und Stärken und die Ihres Gesprächspartners.
Fünftens: Schaffen Sie eine positive Verhandlungsatmosphäre.  Wählen Sie eine Zeit, in der Sie sich für gewöhnlich besonders fit fühlen. Wählen Sie wenn möglich einen Ort, an dem Sie sich wohlfühlen.

 

17.05.2018

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